Am vergangenen Freitag (3. August) wurden in Kerpen erneut Flugblätter im Rahmen der „Freiheit für Ursula“-Kampagne verteilt. Die 89-jährige sitzt seit mehreren Monaten einzig aufgrund von Meinungsäußerungen in einem deutschen Gefängnis. In den nächsten Monaten wird es mehrere überregionale Aktionen geben, um auf das Schicksal der Kämpferin für die Meinungsfreiheit aufmerksam zu machen.
Der 3. August war dabei ein symbolisches Datum für eine weitere Flugblattverteilung, da das Bundesverfassungsgericht an diesem Tag die Ablehnung der Verfassungsbeschwerde von Ursula Haverbeck veröffentlichte, wobei die Entscheidung bereits am 22. Juni 2018 gefällt wurde. Wie häufig in der Vergangenheit, etwa beim Thema ESM, winden sich die Verfassungsrichter, um Erklärungen dafür zu liefern, weshalb bestimmte Entscheidungen trotz der anderslautenden Bestimmungen des Grundgesetzes rechtmäßig seien.
So wird in Artikel 5 des Grundgesetzes die Meinungsfreiheit garantiert, sie darf nur durch „allgemeine Gesetze“ eingeschränkt werden. Dies betrifft etwa die strafbare Beleidigung, die gewisse Äußerungen für alle Personen in Deutschland untersagt (auch wenn selbst dieses Gesetz in der Praxis bei Beleidigungen, die gegen Deutsche gerichtet sind, kaum konsequent angewandt wird, zumindest theoretisch ist es allerdings allgemeingültig).
Im Gegenteil dazu sind Teile des § 130 „Volksverhetzung“ Sondergesetzgebung, die einzig gegen eine politische Richtung gerichtet sind. Aus politischer Opportunität hat das Verfassungsgericht am 4. November 2009 höchstrichterlich entschieden, dass diese Sonderbestimmungen jedoch ausnahmsweise rechtens wären. Ein Aufschrei in der Gesellschaft fiel trotz dieser schicksalsschweren Entscheidung aus, da sich das Gesetz maßgeblich gegen „Rechtsextreme“ richtet, die Vogelfreien der heutigen Zeit.
Grundsätzlich wurde hier jedoch einmal mehr offensichtlich, dass das Grundgesetz keineswegs die feststehende Grundlage unseres Staates ist, wie das oft dargestellt wird, sondern es bei Bedarf zurechtgebogen werden kann. Solange man die politische Macht in den Händen hält, wird auch Sondergesetzgebung gegen politische Oppositionelle für rechtmäßig erklärt. Nach einem demokratischen Rechtsstaat klingt das nun nicht gerade.
Insbesondere auch das Festschreiben gewisser geschichtlicher Wahrheiten, über die dann von Juristen gewacht wird, anstatt eine freie Forschung zuzulassen, widerspricht jeder Vorstellung eines freiheitlichen Staates und erinnert eher an Ketzer-Prozesse des Mittelalters.
Kurze Betrachtung des aktuellen Urteils
In der Begründung zum neuesten Urteil heißt es etwa: „Die Überschreitung der Friedlichkeit liegt hier darin, dass die Leugnung als das Bestreiten des allgemein bekannten unter dem Nationalsozialismus verübten Völkermords vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nur so verstanden werden kann, dass damit diese Verbrechen durch Bemäntelung legitimiert und gebilligt werden. Die Leugnung wirkt damit ähnlich wie eine Billigung von Straftaten, die in §140 StGB auch sonst unter Strafe gestellt ist und kommt der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft nach § 130 Abs. 4 StGB gleich. “
Es wird also tatsächlich geschrieben, dass ich ein Verbrechen billige, also dieses gutheiße, wenn ich der Meinung bin, dass es nicht so geschehen ist, wie es die etablierte Geschichtsschreibung vorschreibt. Als Beispiel für den Unsinn dieser Argumentation nehme man etwa das Massaker von Katyn. Von April bis Mai 1940 ermordeten die Sowjets tausende gefangene Polen und behaupteten im Anschluss, dass diese Tat NS-Deutschland begangen hätte. Im Nürnberger Prozess sprach die sowjetische Anklage von 11.000 Toten, einer Zahl die „auf der ganzen Welt bekannt“ sei, was der Formulierung „allgemein bekannt“ aus dem jetzigen Urteil des Verfassungsgerichts übrigens äußerst nahe kommt.
Ich bestreite nun jedoch, dass Deutschland diese Tat begangen hat. Meine Forschungen haben sowohl andere Opferzahlen ergeben, aber vor allem auch einen anderen Täter, nämlich das kommunistische Russland. Wie es inzwischen auch die etablierte Geschichtsschreibung sieht, läge ich mit dieser Aussage völlig richtig. Theoretisch hätte man mir allerdings damals, im Wortlaut übereinstimmend mit dem Urteil des Verfassungsgerichtes, vorwerfen können, dass ich mich damit der „Leugnung […] des allgemein bekannten unter dem Nationalsozialismus verübten“ Verbrechens schuldig gemacht habe. Und damit hätte ich dann auch nicht für eine korrekte Geschichtsschreibung gesorgt, sondern dieses „Verbrechen durch Bemäntelung legitimiert und gebilligt“. Ich würde mich also der „Billigung von Straftaten“ und, selbstverständlich, „der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ schuldig machen und folgerichtig ins Gefängnis gesperrt.
Der gleiche fragwürdige Argumentationsstil zieht sich durch das ganze Urteil, in dem es etwa weiter heißt: „Die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte geeignet, Zuhörer zur Aggression und zu einem Tätigwerden gegen diejenigen zu veranlassen, die als Urheber oder Verantwortliche der durch die Leugnung implizit behaupteten Verzerrung der angeblichen historischen Wahrheit angesehen werden. Sie trägt damit unmittelbar die Gefahr in sich, die politische Auseinandersetzung ins Feindselige und Unfriedliche umschlagen zu lassen.“
Mit dieser Argumentation kann quasi jede Aussage zu einem staatsgefährdenden Verbrechen umgedeutet werden, mit der man „ die politische Auseinandersetzung ins Feindselige und Unfriedliche umschlagen“ lässt. Theoretisch könnte man mit den gleichen Satzfragmenten etwa jemanden anklagen, der davon überzeugt ist, dass das Universum durch den Urknall erschaffen wurde.
Durch meine Behauptung, dass das Universum durch den Urknall entstanden ist und nicht etwa durch die Hand Gottes, könnte ich schließlich „Zuhörer“ zu „ Aggression und zu einem Tätigwerden gegen“ verschiedene religiöse Gruppierungen motivieren, da diese als „Urheber oder Verantwortliche der durch die Leugnung implizit behaupteten Verzerrung der angeblichen historischen Wahrheit angesehen werden“. In der Realität gab es jedoch keineswegs unzählige Anhänger der Urknall-Theorie, die gewaltsam gegen Kreationisten vorgegangen sind. Ganz im Gegenteil ging etwa die Kirche immer wieder höchst brutal gegen Gegner ihrer Glaubenssätze vor.
Die Grundfrage ist daher aktuell nicht, ob man den Aussagen von Ursula Haverbeck vollumfänglich zustimmt oder nicht; eine Frage, die man schon aus juristischen Gründen schließlich öffentlich auch nur auf eine Weise beantworten darf, weshalb eine Diskussion wohl eher langweilig wäre. Die Grundfrage ist, ob man ein System akzeptieren möchte, das nach dem Vorbild kommunistischer Schauprozesse oder der kirchlichen Inquisition aufgebaut ist oder ob man für einen Staat kämpft, der Meinungs-, Gedanken- und Forschungsfreiheit garantiert.
Ursula Haverbeck steht in dieser Auseinandersetzung ganz klar auf der Seite der Freiheit und hat unsere Unterstützung damit vollkommen verdient. Diese werden wir ihr unter anderem am Mittwoch, den 12. September, zeigen, wenn sie vor dem Hamburger Landgericht steht. An diesem Tag wird eine Kundgebung auf dem Sievekingplatz, unmittelbar vor dem Eingang des Landgerichts Hamburg, stattfinden. Anlässlich des 90. Geburtstages von Frau Haverbeck, den sie am 8. November 2018 begeht, findet am darauffolgenden Samstag, den 10. November, eine große Demonstration in Bielefeld statt, wo sie aktuell inhaftiert ist. Aktuelle Informationen zum Thema gibt es durchgehend auf der Seite freiheit-fuer-ursula.de, wo auch die Bestellung von Material für eigene Aktionen möglich ist.
Unterstützt die Kampagne! Freiheit für Ursula!
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